Dogma
Immer wenn die Temperaturen sinken und sich langsam eindrucksvolle Eisgebilde formen, erfreut es mich jeden Winter aufs Neue, Ausschau nach unentdeckten Linien zu halten.
Eine ebensolche Linie hatte ich bereits seit Jahren immer wieder beobachtet. Diese formte sich allerdings jedes Jahr recht ungleichmäßig und bis zum heurigen Winter erschien mir ein Versuch die Linie zu probieren, stets zu heikel. Einige Male war ich bereits kurz davor einzusteigen, doch diesen Plan musste ich mehrfach begraben, da der Zapfen immer wieder ganz spontan abzubrechen schien.
Doch Ende Januar 2021 sollte es nun endlich soweit sein. Der Verlauf des heurigen Winters und die Temperaturen boten optimale Verhältnisse. Der Zapfen hatte die richtigen äußeren Bedingungen, um schlussendlich optimal zu wachsen. Bereits Mitte Dezember wollte ich die Route versuchen. Doch einige klare und sonnige Tage vereitelten dieses Vorhaben. Der steile Zapfen brach ein Erstes Mal ab. Da die Linie südseitig ausgerichtet ist, ist der Ausstiegszapfen um die Mittagszeit erbarmungslos dem Sonnenlicht ausgesetzt. Ich hoffte auf die passenden Wetterprognosen. Diese sollten nun Ende Januar eintreten. Bewölkt, kalt und höchstwahrscheinlich keinen einzigen Sonnenstrahl – für das Vorhaben, die Route erstmals ernsthaft zu probieren ideale Bedingungen. Der Eisvorhang war wieder nachgewachsen und erschien genügend stabil zu ein. Mit meinem Bergführer Kollegen Mark Oberlechner fand ich einen ebenso motivierten Partner. Am Freitag, 29. Januar konnten wir die Neue Route schließlich verwirklichen.
Die ersten Seillängen hatten wir sehr rasch gemeistert. Das ziemlich morsche Gestein und das delikate Gelände bremsten uns nachher etwas ein. Nichtsdestotrotz fanden wir immer wieder passable Hooks und auch mobile Sicherungsmöglichkeiten. Vor der Ausstiegsseillänge konnten wir noch einen recht komfortablen Standplatz einrichten. Da der Ausstiegszapfen wie vorher schon erwähnt, ziemlich delikat erschien, entschieden wir uns für die Absicherungsmöglichkeiten im felsigen Teil. Somit schlugen wir zwei Normalhaken im steilen Felsen und kletterten schlussendlich über den Zapfen zum Ende Route. Nachdem wir auch die letzte Seillänge eingerichtet hatten und das brüchige Gestein zufriedenstellend geputzt hatten, kletterten wir auch diese noch Rotpunkt. Die Kombination aus reinen und genussvollen Eislängen, steilen Fels und den Zapfen machen die Route “Dogma” gemeinsam mit der Tatsache, dass es nur ein kurzes Zeitfenster gibt, um die Route unter akzeptablen Bedingungen zu klettern, zu einer attraktiven und reizvollen Linie. Bis auf zwei Normalhaken wurde kein weiteres fixes Material verwendet noch belassen. Den Wiederholern wünschen wir viel Spaß, das richtige Timing und gute Bedingungen.
Den Charakter der Route lässt sich wie folgt beschreiben. Die Einstiegsseillänge und die darauffolgende Seillänge sind reine Eislängen, wobei die Zweite etwas anspruchsvoller ist als die Erste. Die dritte Länge bietet Mixed-Gelände im 7.Grad und einen Eisausstieg entlang eines steilen Zapfens. Die letzte Länge ist zugleich die schwierigste und steilste der Route. Zunächst klettert man im überhängenden Fels Teil hin zum steilen markanten Ausstiegsvorhang, der sachtes und überlegtes Klettern abverlangt. Dieser Zapfen bildet sicherlich das Herzstück der Route. Gleichzeitig unterstreicht dieser die Steilheit der Route.
Route: „Dogma“
Erstbegeher: Simon Gietl und Mark Oberlechner
Erstbegehung: 29 Januar 2021
Schwierigkeit: M8, WI6,
Charakter: Wunderschöne Mix-Tour die leider nur selten möglich ist.
Absicherung: Alle verwendeten Haken (2Stück) wurden belassen der Rest wurde mobil abgesichert.
Material: Ein Satz Friends bis 3
Abstieg: Abseilen
Das Topo zum downloaden gibt’s hier